Unternehmenserbrecht – unde venis? Ein historischer Rückblick anlässlich der aktuellen Erbrechtsrevision

Autor: BLaw Balian de Viragh (balian.de.viragh@ius.uzh.ch).

Herausgeber: Prof. Dr. iur. Walter Boente

URL: rechtstexte.online/4

DOI: https://doi.org/10.58591/rt.4

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Zitiervorschlag: Balian de Viragh, Unternehmenserbrecht – unde venis? Ein historischer Rückblick anlässlich der aktuellen Erbrechtsrevision, rechtstexte nr. 4, N.

Im Rahmen der aktuellen Erbrechtsrevision wird im Schweizerischen Parlament die Einführung eines gesetzlichen Integralzuweisungsanspruchs zur Erhaltung von Unternehmen im Erbgang debattiert. Schon vor über 100 Jahren hatte sich Eugen Huber selbst an der Einführung eines solchen allgemeinen Unternehmenserbrechts versucht – und scheiterte knapp.
Der historische Rückblick zeigt, dass sich schon damals dieselben Fragen stellten wie heute. Insbesondere die Frage, wie die Integralzuweisung von Unternehmen ermöglicht werden soll, ohne dabei zu stark in die Stellung der übrigen Erben einzugreifen, spaltete auch damals die Gemüter. Die historische Nachzeichnung der Debatte zeigt zum einen spannende Parallelen und Gegensätze zu den heutigen Streitpunkten in den Revisionsbemühungen auf. Zum anderen wird ein besonderes Augenmerk auf ein Rechtsinstitut gerichtet, das Eugen Huber damals als Kernstück seines Unternehmenserbrechts im Blick hatte: Die Gemeinderschaft (Art. 336-348 ZGB).
Ob sie auch heute noch als Inspirationsquelle, Alternative oder Ergänzung dienen kann, dürfte nicht zuletzt vom Ausgang der Unternehmenserbrechtsrevision abhängen.

Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. «Unternehmenserbrecht» nach Eugen Huber

I. Ausgangslage und Situation vor 1912

1. Flickenteppich in den kantonalen (bäuerlichen) Erbrechten

a. Allgemeine Ausgangslage

b. Grundsatz: Bevorzugung der Söhne

2. Bedürfnisse und Ziele eines «modernen» bäuerlichen Erbrechts?

a. Ablehnung des alten inegalitären bäuerlichen Erbrechts, aber Anerkennung spezieller Bedürfnisse

b. Verhinderung der Bodenzersplitterung

c. Verhinderung der übermässigen Verschuldung

d. Besonderes bäuerliches Erbrecht als volkswirtschaftliche Notwendigkeit

e. Eugen Hubers Grundkonzeption

II. Integralzuweisung von (landwirtschaftlichen) Gewerben nach Eugen Huber

1. Sachlich: Nur landwirtschaftliche Gewerbe?

a. Eugen Hubers Vorschläge und Vorarbeiten

b. Debatte in der Expertenkommission

c. Behandlung in der Bundesversammlung

d. Endfassung im ZGB von 1912

e. «Landwirtschaftliches Gewerbe»?

2. Persönlich: Bestimmung des Übernehmers

a. Versionen und Grundsätzliches

b. «Eignung» des Übernehmers?

3. Vorgehen bei Einspruch und bei mehreren geeigneten Übernehmern?

a. Einspruch eines oder mehrerer Miterben

b. Kriterien bei mehreren geeigneten Übernehmern

aa. Vorzugsrecht der selbstbewirtschaftenden Erben

bb. Ortsgebrauch

cc. Persönliche Verhältnisse

dd. Kaskadenordnung

4. Anrechnungswert & Gewinnbeteiligungsanspruch der Miterben

a. Schatzungspreis, Ertragswert, Verkehrswert?

b. Begünstigung des Übernehmers?

c. Gewinnbeteiligungsanspruch der Miterben

III. Gemeinderschaft als Mittel der Stundung und Sicherstellung der Ansprüche der Miterben

1. Vorbemerkung

2. Gemeinderschaft

a. Gemeinderschaft als erbrechtliches Instrument?

b. Begriff und Formvorschriften

c. Abgrenzung zur Erbengemeinschaft

d. Innenverhältnis und Stellung der Gemeinder untereinander

e. Aussenverhältnis

f. Aufhebung und Teilung

3. Ertragsgemeinderschaft im Besonderen

a. Definition und Unterschied

b. Anspruch der Miterben auf jährlichen Anteil am Reingewinn

c. Besonderer Auflösungsgrund

4. «Zwangsertragsgemeinderschaft» im bäuerlichen Erbrecht

a. Voraussetzungen

b. Verschiebung bzw. Stundung der Erbteilung

c. Besonderheiten in Bezug auf die Auflösungsgründe

5. Rezeption der (Ertrags-)gemeinderschaft in der zeitgenössischen Lehre

a. Vorteile und Befürworter

b. Kritik an der Gemeinderschaft als solcher

c. Kritik an der Ertragsgemeinderschaft

d. Kritik an der Zwangsertragsgemeinderschaft

C. Scheitern Eugen Hubers Konzeptionen

I. Bäuerliches Erbrecht als tote Buchstaben

1. Geringe Verbreitung der Gemeinderschaft bereits vor 1912

2. Geringe Verbreitung der Gemeinderschaft nach 1912

3. Fehlende Anwendung des bäuerlichen Erbrechts nach 1912

II. Heutiger Blick auf die Überbleibsel des bäuerlichen Erbrechts?

1. Geplante Abschaffung der Gemeinderschaft

2. Heutige Kritikpunkte an der Gemeinderschaft

a. Komplizierte Errichtung

b. Zu wenig flexible Entscheidfindung

c. Solidarische Haftung und fehlende Rechtspersönlichkeit

d. Bessere Alternativen?

3. Und dennoch: Modellcharakter des BGBB?

D. Aktuelle Erbrechtsrevision – des Rätsels Lösung?

I. Revisionsbedarf

1. Erleichterung der Nachfolge in Familienunternehmen

2. Hindernisse der Integralzuweisung de lege lata

II. Integralzuweisung de lege ferenda

1. Sachlich: Unternehmen i.S.v. Art. 616 E-ZGB

2. Persönlich: Geeignete(r) Übernehmer i.S.v. Art. 617 E-ZGB

3. Anrechnungswert

III. Stundung der Pflichtteilsansprüche der Miterben

1. Voraussetzung: «ernstliche Schwierigkeiten»

2. Sicherstellung und Verzinsung

a. Sicherstellung trotz ernstlicher Schwierigkeiten?

b. «Angemessene» Verzinsung?

3. Gemeinderschaft als Alternative und Inspirationsquelle

E. Fazit